ETHISCHE GRÜNDE

«Auch wenn wir gar nicht hoffen könnten, daß
jemals alle Menschen zur vegetarischen Lebensweise
  übergehen werden, hätte niemand deswegen das
Recht, Fleisch zu essen. Ein Unrecht bleibt auch
dann ein Unrecht, wenn alle es verüben. […]
Ich sage ja nicht, daß jeder Mensch, der vegetarisch
lebt, gerecht sei, sondern, daß jeder, der nicht
vegetarisch lebt, dadurch ungerecht handelt.»
(Magnus Schwantje, 1877–1959, einer der ersten großen Vorkämpfer
für Vegetarismus und Tierschutz; prägte im Jahre 1902
den Begriff «Ehrfurcht vor dem Leben»)

Bisher haben wir die gesundheitlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Nachteile des Fleischkonsums betrachtet. Unsere nächste Fragestellung geht tiefer: Haben wir – abgesehen von den schädlichen Folgen – überhaupt das Recht, Tiere zu töten?

Diese Frage bringt uns in den Bereich der Ethik. Ethik ist die Lehre von Moral und Verantwortung. Sie befaßt sich nicht nur mit den materiellen Aspekten unserer Welt, sondern bemüht sich darüber hinaus um eine Erkenntnis der höheren Gesetze des Lebens. In der heutigen Zeit des materiellen, technischen Fortschritts wird die Ethik jedoch vielfach vernachlässigt oder einfach entsprechend der jeweiligen Zielsetzung zurechtgedreht.

Ohne Ethik, ohne das Fragen nach dem Sinn und Wert einer Handlung, wird jedoch jede Wissenschaft letztlich sinn- und wertlos. Ethik müßte daher Grundlage eines jeden wissenschaftlichen Strebens sein.

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Tiere sind fühlende Wesen

Das griechische Wort ethos, von dem der Begriff «Ethik» abgeleitet ist, bedeutet «innere Gesinnung, Sitte und Lebensführung», die sich aus der Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung ergibt. Es ist also nicht verwunderlich, daß sich die Vertreter einer konsequenten Ethik schon immer auch mit der Problematik des Fleischessens beschäftigt haben.

Das Wort «Vegetarier», das im Jahre 1847 von den Gründern der Britischen Vegetarischen Gesellschaft geprägt wurde, hat seine Wurzel im lateinischen Wort vegetus: «lebhaft, rege, rüstig, frisch, belebt». (Mit dem Ausdruck homo vegetus bezeichneten die alten Römer einen «geistig und körperlich gesunden, vitalen Menschen».) Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes weist also auf eine ganzheitliche, harmonische Lebenseinstellung hin, die weitaus mehr beinhaltet als nur die Ernährung durch Getreide, Gemüse und Früchte.

Bei Umfragen unter Vegetariern zeigt sich dementsprechend, daß ein Großteil der Befragten nicht nur aus gesundheitlichen oder ernährungswissenschaftlichen, sondern auch aus ethisch-philosophischen Gründen kein Fleisch ißt.

Es scheint allerdings, daß viele Menschen, die Fleisch essen, die ethischen Aspekte ihrer Ernährungsgewohnheiten nicht wahrhaben wollen. Manch einer würde zweifellos sogleich Vegetarier werden, wenn er sich beim Einkaufen, Kochen und Essen wirklich des Elends und der Angst der Schlachttiere bewußt wäre oder wenn er die Tiere, die er ißt, selbst töten müßte. Nur die wenigsten Menschen würden eine Besichtigung im Schlachthof verkraften, ohne danach von Albträumen geplagt zu werden. Beim Gedanken daran, daß das, was sie gerade genüßlich kauen, vor einiger Zeit noch ein lebendiges Wesen aus Fleisch und Blut war, würden die meisten Konsumenten wohl schlagartig eine natürliche Abscheu vor dem Schlachtprodukt Fleisch entwickeln. Fleisch wird deshalb von der Industrie oft in einer Form präsentiert, die den Bezug zum lebendigen Tier verschwinden läßt.

Hierzu war in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit vom 8. April 2010 unter dem Titel «Respekt!» zu lesen: «Tiere zu schützen ist kein gnädiger Akt, sondern ein Gebot der Natur. Bewußt machen wir uns das nur selten, wenn wir nämlich ausnahmsweise hinsehen.»

Alexandra Tolstoi, die Tochter des berühmten russischen Schrifstellers und Vegetariers Leo Tolstoi (1828-1910), erzählt in ihrem Buch Tolstoi – Das Leben meines Vaters folgende Anekdote:

«Meine Tante liebte das Essen, und wenn man ihr nur Vegetarisches anbot, entlud sich ihre Entrüstung mit der Äußerung, daß sie nicht jeden alten Dreck essen würde. Daraufhin verlangte sie nach Fleisch, vorzugsweise Geflügel. Als sie uns das nächste Mal zum Abendessen beehrte, war sie erstaunt, ein lebendes Huhn festgebunden auf ihrem Platz vorzufinden.

Auf ihrem Teller lag ein großes Messer.

‹Was soll das?› fragte sie.

‹Du wolltest Huhn›, sagte Tolstoi, der kaum in der Lage war, seine Erheiterung zu verbergen. ‹Keiner von uns will es töten. Also haben wir alles vorbereitet, damit du es selbst tun kannst.›»

Wirkliche Tierliebe sollte also nicht selektiv sein. Wie kann man einerseits einen Hund oder eine Katze als Haustier halten und diese Tiere lieben – oftmals gehören sie praktisch mit zur Familie – und andererseits bedenkenlos das Fleisch von Kälbern, Schweinen, Lämmern und Hühnern essen? Keine Familie würde ihr eigenes Haustier schlachten und verzehren. Gerade für Kinder wäre ein solcher Totschlag eine traumatische Erfahrung. Warum dann eine Grenze ziehen zu anderen Tieren, bloß weil sie nicht «Haustiere» sind, sondern als «Schlachttiere» etikettiert und gegen Bezahlung von anderen Menschen getötet werden? Ist ein solcher Umgang mit Tieren nicht inkonsequent und unethisch?

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«Mir schmeckt’s trotzdem»

Aus den bisherigen Betrachtungen geht hervor, daß das Essen von Fleisch für den Menschen in keiner Weise notwendig oder gesundheitsfördernd ist und dazu noch viele ökonomische und ökologische Nachteile mit sich bringt. Dennoch lautet ein häufiges Argument: «Wie dem auch sei – mir schmeckt’s trotzdem.» Woher jedoch nehmen wir uns das Recht, andere Lebewesen auszubeuten und sie zu töten, nur um ihr Fleisch zu verzehren – mit der Begründung, daß es uns «schmeckt» und daß wir Lust dazu haben?

Aus ethischer Sicht müßten sich also alle, die Fleisch essen, die Frage stellen: Ist das vermeintliche Leid, das ich mir durch den «Verzicht» auf Fleisch bereite, größer als das Leid der Tiere, die getötet werden müssen, damit ich ihr Fleisch kaufen und essen kann? Diese Frage griff auch die Schweizer Illustrierte in ihrer Ausgabe vom 8. Juni 1987 auf, indem sie den deutschen Erfolgsautor und Gesellschaftskritiker Volker Elis Pilgrim zitierte: «‹Das zurechtgemachte Kotelett liegt im Regal wie eine Schachtel, ein Teller oder ein Hosenknopf. Ist es aber nicht. Gestern noch gehörte es zu einem atmenden, fühlenden, pulsierenden Ganzen. Will ich es töten, um so an mein Kotelett zu kommen? Nein, ich will nicht.› Nun – würden wir alle ernsthaft vor diese Frage gestellt, gäbe es vermutlich nur noch Vegetarier. Und wir stünden damit in guter Gesellschaft mit Dichtern und Denkern aller Zeiten, die das Töten von Tieren seit jeher für des menschlichen Geistes unwürdig hielten.»

Und solche Persönlichkeiten gibt es viele. Zu den bekanntesten ethischen Vegetariern gehören (in chronologischer Reihenfolge): BuddhaZarathustraHesiodPythagorasEmpedoklesEuripidesDiogenesSokratesPlatonEpikurHorazOvidJohannes der Täufer • Apostel Matthäus • Apostel JohannesSenecaApollonius von TyanaPlutarchOrigenesBenediktFranz von Assisi • Leonardo da Vinci • Michel de Montaigne • Tommaso Campanella • John Milton • Isaac Newton • Emanuel Swedenborg • Alexander PopeVoltaire • Benjamin Franklin • Jean-Jacques Rousseau • Denis Diderot • Johann Gottfried von HerderJean Paul • Alexander von Humboldt • Henry Salt • Ralph Waldo Emerson • George Sand • Richard Wagner • Charlotte Brontë • Henry David Thoreau • Fjodor M. Dostojewskij • Leo Tolstoi • Henry Dunant • Emily Dickinson • Wilhelm Busch • Mark Twain • Thomas Alva Edison • Vincent van Gogh • Nikola Tesla • George Bernard Shaw • Gustav Mahler • Rudolf Steiner • Rabindranath Thakur • Maurice Maeterlinck • Romain Rolland • H. G. Wells • Mahatma Gandhi • Christian Morgenstern • Albert Schweitzer • Rainer Maria Rilke • Albert Einstein • Manfred Kyber • Franz Kafka • Wilhelm Furtwängler • Jiddu Krishnamurti • Elias Canetti • Astrid Lindgren und viele andere – von den zahlreichen prominenten Vegetariern der Gegenwart ganz zu schweigen.

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